Aktivitäten und Aufrufe des heimatkundlichen Treffs Großheubach

Der Distelhäuser Weinhändler Johann Simon Abendanz und das nach ihm benannte Abendanz’sche Haus

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Bestens bekannt in Großheubach ist das Abendanz’sche Haus in der Kirchstraße 6. Wenige wissen aber, warum es so heißt. Der Auftraggeber des Hauses war einer der bedeutendsten Weinhändler Süddeutschlands, Johann Simon Abendanz, geboren am 28. Oktober 1715 in Distelhausen, heute ein Stadtteil von Tauberfischofsheim. Doch wie kam es zum Bau des Weinhandelshauses?

Die Geschäftstätigkeit und der wirtschaftliche Erfolg von J.S. Abendanz kann nur im Licht des gesamten Weinbaues zu seiner Zeit verstanden werden. Einige Jahrzehnte nach dem Ende des verheerenden 30jährigen Krieges 1648 fasste die Volkswirtschaft wieder Fuß und die Bevölkerung nahm rasch wieder zu. Es etablierte sich ein neues politisches System mit den vielen Kleinstaaten, an deren Spitze ein absolutistisch herrschender Adel stand. Für den Weinbau waren diese Feudalherren wichtige Abnehmer, denn dort wurde bevorzugt Wein getrunken. Ein weiterer bedeutender Abnehmer von Wein war im 18. Jahrhundert die Stadtbevölkerung. Nicht nur eine sich bildende Oberschicht verlangte immer stärker nach Wein, sondern bei der gesamten Stadtbevölkerung wurde der Wein notgedrungen zu einem wichtigen Getränk. In den wachsenden Städten wurde durch die fehlende Abwasserentsorgung das Grundwasser als Trinkwasser weitgehend ungenießbar1.

Die Nachfrage nach Wein war im 18. Jahrhundert außergewöhnlich groß. Weinhändler brachten den Wein zu Produzenten auf die Handelsplätze, wo er dann den weiteren Weg zum Verbraucher fand. Der wichtigeste Weinhandelsplatz in Süddeutschland war Frankfurt. Er diente neben der Versorgung der Stadtbewohner mit Wein auch dem Umschlag von Wein für andere Großstädte. In Frankfurt war der Wein aus dem Taubertal auch deshalb besonders begehrt, weil die Weinlieferungen aus dem großen Anbaugebiet Pfalz Anfang des 18. Jahrhunderts auf längere Zeit ausfielen. Durch den pfälzischen Erbfolgekrieg 1688 – 1697 waren weite Landstriche der Vorderpfalz mit ihren großen Weinbergflächen verwüstet2.

Das Taubertal wurde zu einem Gebiet mit einem großen Weinüberschuss, daher musste der Wein auf den Märkten auch gewinnbringend verkauft werden. Es gab im mittleren Taubertal etwa 20 Weinhändler. Die bekanntesten waren die Buchler aus Gerlachsheim, Abendanz aus Distelhausen, Bögner und Steinam aus Tauberbischofsheim und Franck aus Königheim. Sie hatten einen großen Zusammenhalt, die Familienmitglieder heirateten oft in die befreundete Familie. Sie belieferten vor allem den Weinmarkt in Frankfurt. Das Geschäft war sehr erfolgreich, wie heute noch die stattlichen Anwesen in diesen Orten belegen, z.B. das „Alte Schloß“ in Distelhausen. Ab 1789 ging das Geschäft zurück und kam innerhalb weniger Jahrzehnte zum Erliegen3.

Johann Simon Abendanz übernahm die elterliche Weinhandlung, die sein Großvater in Distelhausen gegründet hatte. Am 29. Mai 1741 heiratete er seine Großcousine Maria Rosina Buchler (1724 – 1793) und gründete zunächst in Frankfurt eine Weinhandlung, um vor Ort den Verkauf seiner Weine besser organisieren zu können. 1758 erbaute er in Distelhausen einen Herrenhof mit einem großen Haus, Weinkeller und Wirtschaftsgebäude. Bereits 1750 erwarb er in Großheubach ein Haus - das heutige Abendanz’sche Haus. Er gründete dort eine Zweigniederlassung. Diese Außenstelle sollte auch den Schiffstransport seiner Weinladungen besser koordinieren4. Er kaufte Großheubacher Wein dazu und verkaufte ihn in Frankfurt mit Gewinn. Das Abendanz’sche Haus wurde um 1600 erbaut5. Erstmals umgebaut wurde es 1671, wie ein Schlussstein im Kellerabgang belegt6. 1820 kaufte die Gemeinde Großheubach das Haus (= Haus Nr. 15) und baute es zum Schulhaus um. Etwa 100 Jahre diente es als Schulhaus. Von 1987 bis 1990 wurde es grundlegend renoviert7.

Gegenüber den anderen Weinhändlern bevorzugte er den Transport auf dem Wasser. In Distelhausen baute er um 1771 zwei weitere Lagerkeller und erwarb eine Hofstelle. Er empfand auch eine soziale Verwantwortung für die Weinbauern und Arbeiter und richtete in Distelhausen ein Invalidenspital für kranke und verarmte Distelhäuser ein8.

Der Augsburger Markt wurde durch Pferdefuhrwerke über das Taubertal, Rothenburg, Dinkelsbühl, Nördlingen und Donauwörth beliefert. In Wallerstein, kurz vor Nördlingen, baute Abendanz 1788 einen Gebäudekomplex mit Lagerkeller, Brauerei, Brennerei und angrenzendem kleinen Park. Mit einer Brennerei und Brauerei wollte er unabhängiger vom Weinhandel sein. Auch in Urphar bei Wertheim hatte er für längere Zeit Keller als unmittelbares Lager vor der Schiffsverladung angemietet9.

In welchem Umfang Abendanz Weinhandel betrieb, lässt sich heute nur grob abschätzen. Die Gemarkung Distelhausen hatte zu jener Zeit ungefähr 150 Hektar Weinberge. Bei einem geschätzten Weinertrag von 50 Liter je Ar ergeben sich 7.500 hl Wein im Durchschnitt der Jahre. Großheubach hatte 1796 eine Weinanbaufläche von 101 Hektar und war damit der bedeutendste Weinbauort in der Gegend.

J.S. Abendanz hatte zehn Kinder, nur drei starben im Kindesalter. Bei seinem Tod am 31. Dezember 1796 führte Johann Simon Abendanz noch alle Geschäfte in Distelhausen. Von hier aus koordinierte er den Weinaufkauf, das Weinlager, den Weinverkauf und traf die strategischen Entscheidungen. Er hatte viel Vermögen hinterlassen, jedoch keinen Nachfolger vorbereitet, der in Distelhausen in seine Fußstapfen hätte treten können. Die Söhne waren in das Unternehmen eingebunden, aber nicht am Firmensitz in Distelhausen, sondern in den Außenstellen10. 1903 starb die Familie Abendanz aus11.

Der Beitrag wurde auf Grundlage der 22seitigen Facharbeit von Anton Hammerich: „Der Distelhäuser Weinhändler Johann Simon Abendanz (1715 – 1796)“ und der Veröffentlichung von Jochen Ulzheimer: „Johann Simon Abendanz 1715–1796 Frankenweinhändler aus Großheubach“ (erschienen 1990) erstellt. Nach der gelungenen Sanierung durch die Gemeinde Großheubach 1987 – 1990 beherbergt das unter Denkmalschutz stehende Abendanz’sche Haus die Zahnarztpraxis von Dr. Rainer Jacob und im Obergeschoss das Trauzimmer der Gemeinde Großheubach. Einige Jahre war dort auch das Fremdenverkehrsamt untergebracht.

Matthias Klotz

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